Achtsamkeit und MBSR
"Was wir sehen, hängt davon ab, worauf zu achten wir gelernt haben." (Ellen Langer)
Was ist MBSR?
MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) bedeutet übersetzt "Stressbewältigung durch Achtsamkeit". Dieses Achtsamkeitsprogramm hat seine Wurzeln im Buddhismus, wurde vom Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn begründet, und findet viel Beachtung in der Neurowissenschaft. Die Methode zeigt erstaunliche Erfolge, deren nachhaltige Wirkung durch viele wissenschaftliche Studien belegt wurde. In den USA und Deutschland ist das Achtsamkeitstraining mittlerweile als wichtiger Heilungsfaktor in der Psychotherapie anerkannt. Auch Ärzte haben sie in ihr Behandlungskonzept integriert, die gesetzlichen Krankenkassen bezuschussen sie im Rahmen der Prävention, und sogar große Unternehmen nutzen sie. Die Achtsamkeits-Praktiken führen zu einer verbesserten Selbstwahrnehmung und mehr Lebensqualität. Es ist die Kunst, sich urteilsfrei und liebevoll ganz auf den gegenwärtigen Moment zu besinnen.
Was bedeutet Achtsamkeit?
Achtsamkeit ist eine Geisteshaltung: Es ist eine annehmende, nicht-wertende Grundhaltung gegenüber allem, was im gegenwärtigen Moment ist. Ob es sich um aktives Tun, ein Körpergefühl, Gedanken oder Gefühle handelt. Die inneren Antennen werden auf Empfang geschaltet. Achtsamkeit ist eine Form der Aufmerksamkeit. Es geht dabei nicht um ein "angestrengtes Aufpassen", denn Achtsamkeit unterscheidet sich von der bloßen Konzentration: Während wir unseren Blick bei der Konzentration verengen, passiert bei der Achtsamkeit das Gegenteil – wir weiten uns in unsere Wahrnehmung hinein. Ohne dabei auf das Erlebte einzuwirken, es zu verbessern, zu manipulieren oder es zu beurteilen. Einfach bloßes "Sosein", präsent und gegenwärtig in einer zugewandten, liebevollen Haltung.
Was ist Achtsamkeit nicht ?
Das Achtsamkeitstraining ist eine Praxis, die nicht auf Glaube basiert. Ebenso geht es weder darum, sich von der Welt abzuschotten, noch um Wellness oder andere Strategien, unangenehme Empfindungen schnell loszuwerden. Letztlich sind die Achtsamkeitspraktiken viel mehr als nur ein stressreduzierendes Entspannungsverfahren - es ist eine intensive Bewusstseinsschulung, die durch Selbsterforschung neue Perspektiven eröffnet.
Wie wirkt Achtsamkeit auf Stress?
Wer unter Stress steht, verliert die Verbindung zu seinem Körper. Empfindungen und Wahrnehmungen werden den Anforderungen untergeordnet und ausgeblendet. Anspannung und Nervosität steigen, und die Fähigkeit, zu entspannen und abzuschalten sinkt. Mit der Zeit geht damit auch das Gespür dafür verloren, was dem Körper gut tut...
Wenn es schwierig wird oder Stress aufkommt, haben wir oft zwei Stressregulations-Strategien: Flucht oder Kampf. Entweder wir vermeiden und verdrängen die unangenehme Situation (z.B. durch Ablenkung, Rausch, Belohnung, Tabletten), oder wir dramatisieren und steigern uns in unsere Konflikte rein (z.B. durch Zerdenken, Sorgen, Zweifel, Aktionismus). Die Achtsamkeitspraxis eröffnet eine dritte Strategie: Den mittleren Weg.
Und diesen kann man trainieren wie einen Muskel: Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass Achtsamkeitstraining die Verbindung zwischen zwei Hirnarealen stärkt, die eine besonders große Rolle bei der Erfahrung von Stress und Angst spielen. So gibt uns regelmäßiges Achtsamkeitstraining nach und nach mehr Kontrolle über unsere Impulse und Emotionen.
Elemente der Achtsamkeitspraxis:
- Atem-Meditation Bei dieser Meditationsübung im Sitzen wird die Wahrnehmung ganz auf den Atemfluss gerichtet (Bauchraum, Brustkorb, Kehle, Nase). Ohne den Atem zu beeinflussen oder zu analysieren, geht es darum, von Moment zu Moment ganz offen und neugierig die Atem-Empfindungen wahrzunehmen. Diese Übung zentriert und beruhigt. Es ist ganz normal, dass die Gedanken dabei immer wieder abschweifen. Ohne sich unter Druck zu setzen kehrt man einfach ganz sanft aber bestimmt zum Atem zurück... Bei dieser Übung wird oft bewusst, wie sehr Gedanken, Gefühle und Impulse aufsteigen, ohne dass wir sie uns ausgesucht hätten. Jedoch wie wir mit ihnen umgehen, liegt ganz in unserer Hand.
- BodyScan Eine Jahrtausend alte Technik der achtsamen Körperwahrnehmung, in der man den Körper wohlwollend und interessiert von innen erforscht. Hier wird die Tiefenwahrnehmung trainiert. Das "Körperdurchwandern" geschieht langsam Stück für Stück, wie ein liebevolles Scannen. Es geht dabei nicht darum, eine bestimmte Empfindung zu erzeugen, sondern einfach aufmerksam zu sein für was auch immer da ist. Die wahrnehmbaren Sinneseindrücke, Körperempfindungen und Gefühle werden nicht analysiert oder bewertet, auch nicht verändert oder manipuliert. Es geht allein darum, mit sich in Kontakt zu kommen und sich selbst ohne Abzuschweifen so sein zu lassen, wie man gerade ist.
- Achtsames Yoga Bei diesen sanften, langsamen Körperübungen geht es nicht darum, sich in exotische Positionen zu zwängen oder Gelenkigkeit zu erzwingen, sondern darum, das Körperbewusstsein zu stärken und noch mehr im Körper präsent und beheimatet zu sein. Achtsamkeits-Yoga schafft eine Verbindung zwischen dem körperorientierten Hatha-Yoga und den Achtsamkeitslehren des Buddhismus. Neben sanften Dehnungs- und Entspannungsübungen werden manche Asanas (Körperpositionen) gelegentlich etwas länger gehalten, um sich auch in die etwas "unbequemen" Haltungen so gut es geht bequem niederzulassen, und es sich auch in wackeligen Positionen gemütlich einzurichten. Sich nicht "reinstressen" wenn es schwierig wird, sondern hinein entspannen. So können Körper und Geist ein tieferes Verständnis für das Lösen von Verspannungen entwickeln.
- Gehmeditation Präsenz im sanften, dynamischen Bewegungsfluss. Gehen ist für uns im Alltag meistens etwas rein Zweckgebundenes. Beim achtsamen Gehen dagegen nehmen wir jeden einzelnen Schritt ganz bewusst wahr und fühlen dabei in die entstehenden Empfindungen hinein. Den Weg einmal selbst zum Ziel machen. In dieser Übung wird oft die Erfahrung gemacht, wie wohltuend und beruhigend das Phänomen der Entschleunigung wirkt.
- Achtsamkeitsübungen der Sinne Hören, Schmecken, Riechen, Sehen und Fühlen, als sei es zum allerersten Mal im Leben. Dabei mit neugieriger Entdeckerfreude Details erkunden, die man sonst im hastigen Alltag übersehen hätte. Ganz eintauchen ins sinnliche Erleben, und den jeweiligen Sinneseindruck voll auskosten. Diese Übungen sind meistens sehr überraschend und anders als man erwartet hätte. Sie machen lebendig, verspielt und schulen den Anfängergeist.
- Offenes Gewahrsein Eine Meditation, bei der man den Geist nicht auf etwas Bestimmtes fokussiert, sondern ganz präsent und offen alles aufnimmt, was gerade da ist. Das können abwechselnd Geräusche, Körperempfindungen, Gerüche, Gefühle und auch Gedanken sein. Alles darf sein. Was auch immer im "Bewußtseinsstrom" auftaucht, wird wahrgenommen ohne es zu beeinflussen, zu bewerten oder darüber nachzudenken. In diesem "Panorama-Bewusstsein" realisieren wir oft, wie flüchtig und unbeständig alles ist. Nichts ist von Dauer und alles ist einem ständigen Wandel unterzogen.
- Metta eine Kontemplation der ganz persönlichen Herzensqualitäten. Diese Praxis lädt ein zu neuen Sichtweisen, mehr Einfühlungsvermögen und einer positiveren Einstellung sich selbst und anderen gegenüber.
- Informelle Achtsamkeitspraxis Achtsamkeit in den Alltag integrieren: Bei ganz gewohnheitsgemäßen, routinierten Tätigkeiten wie Essen, Duschen, Abwaschen, Zähneputzen... Sich zwischendurch immer wieder einen Moment des Innehaltens erlauben, und sich zum gegenwärtigen Moment zurück bringen. Dazu gibt es verschiedene Methoden, die helfen, sich auch im vollgestopften Alltag kleine "Inseln der Achtsamkeit" zu schaffen. Beispielsweise mit dem Atem, Körperempfindungen oder der Entschleunigung als Anker. Im Alltäglichen das Wunderbare entdecken: Die Liebkosungen des Windes beim Radfahren fühlen. Im Café sitzend den Nebengeräuschen zuhören, als seien sie ein abstraktes Musikstück. Die Warteschlange zu einer kleinen Stehmeditation verwandeln. Beim Musikhören statt den Tönen mal den Pausen lauschen...
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Die wissenschaftlich belegte Wirkung der Achtsamkeitspraxis:
Psychisch:
➤ Führt zu innerer Ruhe, Ausgeglichenheit und erhöht die Fähigkeit sich zu entspannen
➤ Stärkung von Selbstachtung, innerer Klarheit und Stabilität
➤ Kultiviert Herzlichkeit, Sanftmut und Mitgefühl
➤ Konstruktive Umgangsstrategien bei belastenden Gedanken / Emotionen und in Stress-Stituationen
➤ Schult die Fähigkeit sich selbst und die Welt bewusster wahrnehmen und den Augenblick genießen zu lernen
➤ Eröffnet neue Handlungsspielräume bei festgefahrenen Gewohnheiten und hinderlichen Reaktionsmustern
➤ Führt zu mehr Vitalität, Lebensqualität und Lebensfreude
➤ Schult die Achtsame Kommunikation und einen konstruktiven Umgang bei Konflikten
➤ Fördert die Kreativität, öffnet die Sinne und kultiviert Leichtigkeit
Physisch:
➤ Verbesserung der Immunfunktion
➤ Nachhaltige Reduzierung von Erschöpfung, Burnout und Schlafstörungen
➤ Anhaltende Linderung von Depressionen, Angstzuständen, Herzproblemen, Verspannungen, Migräne und Traumata
➤ Verminderung von akuten und chronischen Schmerzen
➤ Verringert Suchterkrankungen
➤ Stärkung der Gedächtnisleistung und Konzentrationsfähigkeit
➤ Linderung von entzündlichen Magen- und Hauterkrankungen
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Videos über Achtsamkeitsmeditation
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Artikel zur Hirnforschung von Achtsamkeitsmeditation: